Landrat: „Sieg von Wernigerode wird ein Pyrrhussieg“

Der Rechtsstreit zwischen der Stadt Wernigerode und dem „Wasser- und Abwasserzweckverband Holtemme-Bode“ (WAV) über die Erhebung eines besonderen Herstellungsbeitrag II – er regelt aus Gründen der Gebührengerechtigkeit das Heranziehen altangeschlossener Grundstücke mit geminderten Herstellungsbeiträgen - war heute Gegenstand eines Spitzengespräches im Landratsamt. Bei dem auf Einladung von Landrat Thomas Balcerowski anberaumten Treffen mit dem Wernigeröder Oberbürgermeister Tobias Kascha, WAV-Geschäftsführer Nikolai Witte und der Unteren Kommunalaufsicht beim Landkreis Harz stand der zweite Widerspruch des Geschäftsführers zur rückwirkenden Satzungsänderung im Mittelpunkt. Diese hatte am 8. März zuvor die Verbandsversammlung mit den Stimmen der Stadt Wernigerode und Ilsenburg abgelehnt.

Das Verfahren liegt jetzt bei der Kommunalaufsicht des Landkreises. Die hat nach Worten von Maren Simons heute deutlich gemacht, nunmehr kommunalrechtliche Maßnahmen einzuleiten. Schließlich drohe dem „Wasser- und Abwasserzweckverband Holtemme-Bode“ durch die bislang nicht geheilte Beitragssatzung Schätzungen zufolge ein Gesamtschaden von rund 9 Millionen Euro. „Das Landesverwaltungsamt stützt unsere Rechtsauffassung“, erklärte Simons.

Unterdessen hat WAV-Geschäftsführer Nikolai Witte beim heutigen Spitzengespräch mit dem Landrat eingeräumt, die bei einem Sieg der Stadt Wernigerode fälligen Anschlussbeiträge in Millionenhöhe nicht zurückzahlen zu können. Das Geld habe der Verband in den Vorjahren bereits für Investitionen eingesetzt.

„Wenn Wernigerode in dieser Angelegenheit den Rechtstreit gewinnt, wird das ein Pyrrhussieg“, ist der Landrat überzeugt. Demnach müsse der Verband für die Rückzahlung der Beiträge entweder Gebühren erhöhen oder Umlagen erheben. „Beides belaste alle Gebührenzahler zusätzlich“, macht Thomas Balcerowski bei dem Gespräch deutlich.

Hintergrund:
Ausgangspunkt war das Tätigwerden der Kommunalaufsicht des Landkreises Harz im Jahr 2015 gegenüber dem Zweckverband, da gesetzlich festgeschrieben war, dass nach dem 31.12.2015 eine Verjährung der Beiträge für den Herstellungsbeitrag II (HB II) eintreten werde. Der Zweckverband hatte für den Bereich Holtemme bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen HB II erhoben. Trotz eines gerichtlichen Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg und dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hatte die Anordnung der Kommunalaufsicht zu Beitragserhebung gerichtlich Bestand. Der Zweckverband hatte auch zwischenzeitlich vor Ablauf der Verjährung die Satzung für die Beitragserhebung erlassen und die Beitragsbescheide an die Beitragsschuldner übersandt. 

Die Stadt Wernigerode hat mit dem WAV Holtemme-Bode ein Musterverfahren gegen die Beitragserhebung vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg und dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt geführt. Im Rahmen des Verfahrens vor dem OVG LSA wurde der richterliche Hinweis erteilt, dass die Beitragssatzung teilweise rechtswidrig sein könnte.

In der Sitzung der Verbandsversammlung des WAV Holtemme-Bode am 30.01.2023 sollte daher eine Änderungssatzung beschlossen werden, welche die Fehler der alten Satzung heilen sollte. Der Beschluss der Änderungssatzung wurde durch die Verbandsversammlung abgelehnt. Hiergegen legte der Verbandsgeschäftsführer Widerspruch ein, um eine erneute Beschlussfassung der Zweckverbandsversammlung zu erreichen.

Am 20.02.2023 erging der Beschluss des OVG LSA, welchem zu entnehmen war, dass eine Änderungssatzung nicht ausreichen würde, sondern vielmehr eine neue Beschlussfassung der Beitragssatzung notwendig sei.

Die neue Satzung sollte in der Verbandsversammlung am 08.03.2023 beschlossen werden. Auch dieser Beschluss wurde durch die Verbandsversammlung abgelehnt. Der Verbandsgeschäftsführer hat Widerspruch gegen den Beschluss eingelegt.

Nach § 65 Abs. 3 KVG LSA ist nunmehr eine erneute Beschlussfassung der Verbandsversammlung herbeizuführen.

Mit der Neufassung der Beschlussvorlage zur Sitzung am 08.03.2023 (Neuerlass der Beitragssatzung) wurde die Zählwirkung des § 65 Abs. 3 KVG LSA zurückgesetzt, da nach hiesiger Auffassung ein erheblicher Unterschied zwischen einer Änderungssatzung und einer Neufassung der Satzung liegt.

Verbleibt die Vertretung bei erneuter Befassung bei diesem Beschluss und erhebt der Verbandsgeschäftsführer erneut Widerspruch, ist unverzüglich die Entscheidung der Kommunalaufsichtsbehörde einholen. Die Kommunalaufsichtsbehörde prüft dann den Fall und kann Maßnahmen im Rahmen ihrer Befugnisse nach §§ 145 ff. KVG LSA treffen. Daher konnte die Kommunalaufsicht nicht bereits nach dem ablehnenden Beschluss am 08.03.2023 tätig werden.

Die Verbandsversammlung des Zweckverbandes hatte am 19. April erneut die Neufassung der Beitragssatzung abgelehnt und daraufhin der Verbandsgeschäftsführer Widerspruch eingelegt.