Merkblatt zum Schutz von Fortpflanzungs- und Ruhestätten besonders geschützter Arten in und an Gebäuden

In den Städten und Gemeinden sind häufig durch Bau- und Sanierungsmaßnahmen besonders geschützte Tierarten, die in und an Gebäuden (v.a. Fledermäuse und Vögel, z. B. Mauersegler, Schwalben) oder in Gehölzen (u. a. Vögel, z. B. Amsel, oder Insekten, wie z. B. Bockkäfer, Rosenkäfer und Hornisse) leben, betroffen.

Da Gebäudesanierungen und Abrissmaßnahmen aus bau- und witterungsbedingten Gründen vielfach während der Nist- und Brutzeit durchgeführt werden, sind artenschutzrechtliche Konflikte i. d. R. abzusehen. So kann davon ausgegangen werden, dass bei Fassadensanierungen im Frühjahr und Sommer häufig Nester der o. g. Vogelarten aber auch die Quartiere von Fledermäusen zerstört und somit darin befindliche Tiere getötet werden. Diese Vorgehensweise ist nicht nur erheblich beeinträchtigend für den Brutvogel- und Fledermausbestand in den Städten und Gemeinden sondern zudem strafbar und wird bei Kenntnis durch die zuständige Behörde auch geahndet.

Selbst wenn keine baurechtliche Genehmigung für den Abriss oder die Sanierung eines Gebäudes benötigt wird, besteht die Verpflichtung nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) die Lebensstätten dieser Tiere zu erhalten. Es ist daher schon im Rahmen der Planung einer Sanierungs- oder Abrissmaßnahme zu klären, ob betroffene Gebäudeteile Lebensstätten besonders oder streng geschützter Tierarten oder Lebensstätten europäischer Vogelarten sind.

Überall dort, wo ein Vorkommen der o. g. Tierarten nicht ausgeschlossen werden kann, sollte frühzeitig in der Planungsphase ein geeignetes Gutachterbüro hinzugezogen werden, welches das Gebäude auf vorhandene Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtsstätten besonders oder streng geschützter Tierarten hin untersucht. Vor allem bei älteren, ungenutzten Gebäuden, landwirtschaftlich genutzten Gebäuden, fugenreichen Fassaden und Mauerwerken sowie Brücken und Ufermauerwerken sollten derartige artenschutzfachlichen Gutachten erstellt werden.

Sind Fortpflanzungs- oder Ruhestätten von Vögeln oder Fledermäusen betroffen, ist die Erteilung einer Ausnahme nach § 45 BNatSchG oder einer Befreiung nach § 67 BNatSchG von den o. g. Vorschriften durch die zuständige Naturschutzbehörde erforderlich. Auch bei den nach der Landesbauordnung Sachsen-Anhalts verfahrens- oder genehmigungsfreien Vorhaben (z. B. diverse Gebäudeabrisse oder Fassadensanierungen) besteht bei entsprechender Betroffenheit ebenfalls eine artenschutzrechtliche Genehmigungspflicht.

Bei einem Verlust der Fortpflanzungs- und Lebensstätten von Vögeln oder Fledermäusen wird diese Genehmigung i. d. R. mit der Auflage zur Schaffung von Ersatzstätten verbunden sein. Nur bei einem im räumlichen und ökologischen Zusammenhang weiterhin ausreichendem Angebot an Fortpflanzungs- und Lebensstätten kann das Vorhaben in Ausnahmefällen ohne zusätzliche Ersatzniststätten realisiert werden. Dieses ist aber fachgutachterlich gegenüber der Naturschutzbehörde darzustellen bzw. zu belegen.

Hinweise zur Genehmigung:

Zur Beurteilung des Vorhabens durch die Genehmigungsbehörde sind durch den Bauherren folgende Antragsunterlagen einzureichen:

  • Angaben zur Baumaßnahme (Standort, Bauweise, Bauzeitraum),
  • Angaben zu den betroffenen Arten,
  • gutachterliche Vorschläge zur Vermeidung bzw. Minimierung von Beeinträchtigungen der besonders geschützten Arten,
  • Vorschläge für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Tieren besonders geschützter Arten.

Erst mit Vorliegen von beurteilungsfähigen Unterlagen kann die Bearbeitung durch die zuständige Naturschutzbehörde umfassend erfolgen.

Im Falle einer zu erteilenden Ausnahme oder Befreiung ist mit Nebenbestimmungen (Bedingungen, Auflagen) an den Antragsteller zu rechnen. Die Ausnahmegenehmigung oder Befreiung von den Naturschutzvorschriften kann von der zuständigen Genehmigungsbehörde aber auch versagt werden.

Fallbeispiele:

1. Gebäudeabbruch / Dachrekonstruktion / Gebäudeausbau und –umbau / Fassaden- und Fugensanierungen

1.1 Häufig betroffene Arten

gebäudebewohnende Vogelarten:

  • Rauchschwalbe, Mehlschwalbe, Haus- und Feldsperling, Hausrotschwanz, Mauersegler, Schleiereule, Waldkauz, Dohle, Turmfalke, Weißstorch

gebäudebewohnende Fledermausarten:

  • Zwergfledermaus, Breitflügelfledermaus, Großes Mausohr, Braunes Langohr, Zweifarbfledermaus

Vögel:

  • besondere Aufmerksamkeit bei länger unbewohnten oder ungenutzten Gebäuden erforderlich,
  • Begünstigung der Besiedlung durch zerstörte Fenster, Türen, defekte Dächer, Öffnungen im Trauf- und Dachbereich (auch Traufkästen),
  • Nutzung von Plattenbauten (Fugenbereiche, Drempel) als Brutplätze

Fledermäuse:

  • Bildung von Wochenstuben in warmen Dachbereichen (Kolonien von Weibchen zur gemeinsamen Aufzucht der Jungfledermäuse),
  • Überwinterungsquartiere: Keller (insbesondere gemauerte, feuchte und frostfreie Räume mit Fugen und Gewölben), Eiskeller, Bunker,
  • Nutzung von Plattenbauten (Fugenbereiche) als Wochenstuben, Winter- und Zwischenquartiere oder als Balzquartiere

1.2 betroffene Verbotstatbestände

Vögel:

  • Tötungsverbot, Störungsverbot in der Brutzeit, Beseitigungsverbot für Nester und Brutplätze (z. B. Halbhöhlen) mit dauerhaftem Bestand

Fledermäuse:

  • Tötungsverbot, Störungsverbot der belegten Quartiere, ganzjähriges Beseitigungsverbot für die Quartiere

1.3 Hinweise für den Vorhabenträger

  • Klärung im Rahmen der Planung bzw. bei der Vorbereitung der Baumaßnahme, ob Gebäude Lebensstätten besonders oder streng geschützter Tierarten oder/und Lebensstätten europäischer Vogelarten ist/sind
  • fachgerechte Prüfung und Darlegung der Besiedlung erforderlich
  • erste, nicht immer auftretende Hinweise zu Fledermausvorkommen sind Fledermausmumien, Fledermauskotpellets in Gebäudefugen und Nischen oder auf den Dachböden sowie Schmetterlingsflügel unter den Fraßplätzen der Fledermäuse
  • Einhaltung der im artenschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid (§§ 45 oder 67 BNatSchG) erteilten Auflagen wie:
    • Abbruchzeiten unter Rücksichtnahme auf Brutzeiten und Fledermausquartier-Belegung
    • bei Gebäudeabbruch und Fugensanierungen i. d. R. Verpflichtung zur Schaffung von Ersatzniststätten und –quartieren

2. Beseitigung von Bäumen, insbesondere von Höhlenbäumen

2.1 Häufig betroffene Arten:

  • Fledermäuse, baumbewohnende Vögel oder Hornissen bzw. geschützte Käferarten

2.2 betroffene Verbotstatbestände

  • Tötungsverbot, Störungsverbot der belegten Brutplätze und Quartiere, ganzjähriges Beseitigungsverbot der Brutplätze und Quartiere, ggf. Verbot der Änderung des unmittelbaren Umfeldes des als Lebensstätte ermittelten Höhlenbaumes

2.3 Hinweise für den Vorhabenträger

  • zur vollständigen Ortung von Baumhöhlen Kontrolle der zu fällenden Bäume in der Vegetationsruheperiode erforderlich,
  • fachgerechte Prüfung und Darlegung der Besiedlung der Baumhöhlen
  • Einhaltung der behördlichen Vorgaben zum möglichen Fällzeitpunkt
  • Verpflichtung zur Schaffung von Ersatzquartieren, ggf. Erhalt von Stammabschnitten mit Larven xylobionter Käferarten

 

© Katrin Kramer E-Mail